Zu Beginn der Arbeit mit einem Computer stellen sich, so beobachte ich, nur wenige Menschen eine Frage in dieser Art - und später stellt sich diese Frage kaum jemand. Viel näher liegt den meisten von uns beim Autokauf eine Frage wie: Benziner, Diesel oder Gasantrieb? Warum ist diese Frage im Hinblick auf ein Computer-Betriebssystem so unscheinbar, so glitschig wie ein Fisch, und gleichzeitig so bedeutungsschwanger und folgenschwer?
Es gibt Markennamen, die sich zu Begriffen für ein Ding, ein Produkt, verselbstständigt haben. "Hast du mal ein Tempo für mich?" ist das, was uns über die Lippen kommt, wenn wir ein Papiertaschentuch benötigen. Und wer spricht schon vom "Klebefilm" - wir reden eher vom "Tesa". Das freut die Marketingabteilungen dieser Unternehmen. Denn obwohl es womöglich gar keinen sachlichen Grund dafür gibt, fördern wir durch diese kleine sprachliche Bequemlichkeit freiwillig und unentgeltlich das Ansehen der betreffenden Marke.
Beim heimischen Rechner ist es ähnlich: Heute assoziieren viele Menschen ganz automatisch beim Thema PC das Betriebssystem "Windows" von Microsoft, und dessen Gründer Bill Gates gehört folgerichtig zu den reichsten Menschen der Welt. Eine kleine Gruppe von Menschen (meist aus bestimmten Berufssparten) denkt vorsorglich lieber an "den Mac" statt an "den PC". Und mit dem Kürzel "Mac", das für die Apple Macintosh-Computer steht, ist eben das Betriebssystem "Mac OS" (fast) untrennbar verbunden. Nichtsdestotrotz: Mit diesen markengeprägten Assoziationen folgen wir bereitwillig dem höheren und durchaus kommerziellen Willen der Vermarktungsstrategen besagter Hersteller. Das muss man nicht bedauern, kann man aber.
Der langen Rede kurzer Sinn: Wir beginnen mit ein paar geistigen Kniebeugen, um erstmal beweglich zu werden. Es gibt für den PC nicht nur Windows. Wir haben eine Wahl. Und deshalb wollen wir Argumente hören.
Menschen haben natürlich unterschiedliche Anprüche an ihr Betriebssystem. Zum Beispiel:
Das ließe sich sicher noch fortführen. Sie können sich vorstellen, dass jeder Mensch dabei andere Schwerpunkte setzt. Aber jetzt kommt der Witz. Ganz unabhängig davon, wie gut das Betriebssystem, mit dem Sie zu tun haben, diese Ansprüche erfüllt, wird Ihr Urteil darüber vermutlich durch einen ganz anderen Aspekt dominiert. Und zwar durch die Gewohnheit. Wir wünschen uns häufig nichts sehnlicher, als dass einfach alles am PC so aussieht und funktioniert, wie wir es gewohnt sind oder wie wir es von der Freundin oder dem Freund kennen.
Das ist ein Umstand, den sich bewusst zu machen hilfreich ist. Es ist wirklich schwer, sich von einer gewohnten Umgebung auf dem PC umzustellen auf eine andere. Das ist einer der Erfolgsfaktoren der Windows-Betriebssysteme. Wer einen PC kauft, der schon ab Geschäft mit Windows ausgerüstet ist, wird mit großer Wahrscheinlichkeit dabei bleiben. Das fände ich gar nicht tragisch, wenn das - sachlich gesehen - nicht so eine dürftige Entscheidungsgrundlage wäre. Aber das Prinzip funktioniert, und so wurde Bill Gates einer der reichsten Rentner der Welt. Erwähnte ich das bereits?.
Danach steigern sich Wirkung und Gegenwirkung im Bereich Betriebssysteme und Software (ja sogar der Hardwaremarkt ist betroffen) in einen furiosen Teufelskreis sich gegenseitig bedingender Aspekte. Weil z.B. Windows so verbreitet ist, gibt es etliche Software-Produkte nur für Windows. Und weil es diese Programme nur für Windows gibt, entscheiden sich Menschen gegen andere Betriebssysteme. Es gibt sogar Drucker, die ausschließlich unter Windows funktionieren (die sogenannten GDI-Drucker), oder auch andere Geräte, die von Treibern abhängig sind, die es dann eben nur für Windows (und allenfalls den Mac) gibt. Und weil die schön billig sind, ist das ein Grund mehr, sich für ein Windows-Betriebssystem zu entscheiden.
Es zeichnet sich zurzeit ab, dass dieser Trend gebrochen werden könnte. Immer mehr Hersteller von Hardware berücksichtigen auch die wachsende Bedeutung von Linux als Arbeitsplatz-Betriebssystem (im Bereich der Server ist Linux ohnehin sehr verbreitet und ziemlich etabliert). Immer mehr Unternehmen, Behörden und Institutionen entscheiden sich aus dem einen oder anderen Grund, ihre PC mit Linux statt Windows auszustatten. Auch die Anbieter von Telekommunikationsdiensten (z. B. Internet-Service-Provider) stellen mehr und mehr technische Unterstützung für Kunden mit Linux-Systemen bereit.
Es gibt viele gute Gründe, sich grundsätzlich der freien Software zuzuwenden - zur Lektüre empfehle ich meine kleine Broschüre über freie Software. Es gab aber auch noch nie so viele gute Gründe wie jetzt, in die Linux-Welt einzusteigen. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben führe ich einmal diejenigen an, die mir persönlich wichtig erscheinen:
Da beißt die Maus keinen Faden ab: Es gibt in bestimmten Konstellationen auch unumstößliche Gründe, ein Windows-Betriebssystem zu wählen. Zum Beispiel, weil Sie Windows schlicht und ergreifend lieber mögen. Aber auch ein rein sachliches Hindernis kann es geben. Aus meiner Erfahrung könnte dies z.B. sein:
Wenn einer oder mehrere der genannten Gründe vorliegen, gibt es möglicherweise einen Ausweg: Sie können innerhalb Ihres Linux' ein völlig eigenständiges Windows auf einer sogenannten "virtuellen Maschine" laufen lassen, welches die erforderlichen Programme oder Treiber beherbergt. Allerdings kommen Sie dann nicht umhin, zusätzlich ein Windows-Betriebssystem käuflich zu erwerben. Grundlage für eine solche Lösung sind z.B. kostenfrei erhältliche Virtualisierungslösungen, allen voran die nicht nur kostenfreie, sondern auch freiheiltiche (im Sinne der GPL) VirtualBox der Firma Oracle, oder aber die funktionsreichen Produkte von VMware.
Übrigens ist kein Zufall, dass die oben genannten Punkte alle mit dem Stichwort "Abhängigkeit" beginnen. Denn das Schaffen von Abhängigkeit ist die Grundlage des Erfolgs der Microsoft-Produkte.
Tatsache ist, dass Apple-Macintosh-Computer nicht nur fantastisch aussehen, sondern auch besondere Stärken haben (z.B. im Bereich Grafik, DTP, multimediale Produktion). Ein ganz herausragendes Merkmal ist das schlüssige Bedienkonzept - beim Mac wirkt alles aus einem Guss und erschließt sich zumeist intuitiv. Alles, was Apple zu seinem Betriebssystem an Software liefert (und das meiste, was Fremdhersteller anbieten), fügt sich in dieses Konzept nahtlos ein. Deshalb ist der Umgang mit dem System leicht zu erlernen und macht den meisten Menschen schlichtweg Spaß.
Wermutstropfen: Apple ist eine mächtige, fast gnadenlose Marketingmaschinerie, der Sie sich gewissermaßen unterwerfen, wenn Sie die Mac-Welt betreten. Aus dem Blickwinkel der Konsumethik kann das ein gravierendes Argument sein.
Was mich freut: Das Apple Macintosh-Betriebssystems (Mac OS X) ist ein naher Verwandter meines Favoriten Linux. Denn im Kern besteht es aus Komponenten, die aus der Welt der quelloffenen Unix-Ableger (BSD) stammen.